Ausred' verlass' mi ned ... 

Es scheint so, es bräuchte es diese Aufforderung nicht wirklich, denn offenbar hat die Ausrede ohnehin

nicht im Sinn, mich zu verlassen.

 

Verlässlich ist sie stets an meiner Seite, einerlei, worum es gerade geht. „Ein bisschen mehr Sport“, habe ich meinem Körper versprochen, ebenso

„ein bisschen mehr frische Luft“, und weil’s grad in einem ging, „etwas weniger Süßigkeiten“. Ja, das sind einige meiner Schwächen, die ich immer wieder

gerne loswerden möchte.

 

Wäre da nicht meine Schwäche. Stärke beweisen dafür meine Ausreden. Sie sind immer da, pünktlich und sofort. Vor allem die „Zeit-Ausrede“: „Jetzt hab ich grad keine Zeit“ und „lieber später“– dann wenn sich die Umstände als geeigneter

erweisen: das Wetter besser, der Hunger weniger, die Gelegenheit aussichtsreicher.

Ich möchte ja nicht so streng mit mir sein, denn eigentlich sind es nicht immer die Ausreden, oftmals ist es tatsächlich so, dass die Begründungen sich tatsächlich als wirklich wahr erweisen. Es lässt sich dann auch sehr gut erklären: Wer will schon bei Minusgraden spazieren gehen? Oder ist es nicht nachvollziehbar, dass ich erst neue Laufschuhe brauche, wenn die alten schon ziemlich ausgetreten sind?  Und dass man mit frisch gewaschenen Haaren nicht ins Hallenbad zum Schwimmtraining mag, ist doch nicht verwerflich? Die Woche bietet doch noch andere Tage an, für jedes Vorhaben.  Ja, tatsächlich. Jede Begründung ist nachvollziehbar. Scheint legitim zu sein, erklärbar. Und Möglichkeiten gibt es immer wieder, bestimmt.  Mit Erklärung und Begründung zeigt sich erneut ein andere Begleiter: Ausrede, verlässlich.


Und während ich das hier so tippe, kommt der Vorschlag meines Mannes: „Gehst mit auf den Berg?“.  Innerlich seh ich schon die Bilder, schwitzend, schwer atmend, müde Beine, zu wenig Kondition. „Ich kann nicht, Schatz. Ich muss den Artikel fertig schreiben“.  Stimmt auch, morgen ist Abgabetermin.  Also Wahrheit. Und dennoch: Ausrede. Den Artikel könnte ich auch abends schreiben. Mein Mann geht ohne mich los. Und ich bin erleichtert, suche den Weg in die Küche. Ein kleiner Hunger meldet sich. Schon hab ich die Hand an der Keksschachtel. Und noch ehe die Stimme hin zu einem gesunden Snack laut werden kann, gebe ich mir selbst die Antwort: „Ok, dann eben ab morgen, keine Süßigkeiten – ab morgen, ganz bestimmt.“ Ein Versprechen an mich, ehrenvoll.  


Und weil’s ohnehin schon einerlei ist, nehme ich mir gleich die ganze Keksschachtel mit an den Schreibtisch. Irgendwie meldet sich da ein Gedanke, ein Hauch von schlechtem Gewissen, ganz dezent. Die Gegenseite hat schon Stellung bezogen: „Hungrig kreativ sein, wer kann das schon? So ein Energieschub kann dem Text nur gut tun – oder?“ – Fast erleichtert stimme ich mit meiner inneren Antwort zu:  „Selbstverständlich tut das gut. Was ist schon gegen ein paar Kekse zu sagen? Und ab morgen gilt dann das Süßigkeiten-Stop.“


Doch irgendwas in mir schiebt ein lautes „Ausrede!“ hinten nach, unüberhörbar. Und mit dem Ruf erscheint vor meinem inneren Auge - ein Obstkorb.  Ein tiefer Seufzer entkommt mir. Eine Kraft in mir, scheint mich zu durchschauen und zu bewegen wollen, hinaus aus der Komfortzone. Erinnert mich auch daran, ehrlich zu mir selbst zu sein.  Mein Körper nimmt sich  einen tiefen Atemzug, und mit ihm meldet sich die Lust auf frische Luft. Und schon taucht ein neues Bild vor meinen inneren Augen auf: „Laufschuhe“.


Was passiert mit mir? Ich atme tief durch,  und gebe damit  Energie jener Kraft, dich mich tatsächlich bewegt, hinaus aus der Komfortzone der Bequemlichkeit und Ausreden.


Kaum schenke ich diesem Aspekt meiner Innenwelt Aufmerksamkeit, nehme ich wahr, wie sich alles in mir nach Bewegung zu sehnen scheint. Nein, nicht nur jene des Sportes. Jene Bewegung, die die Veränderung meines Ichs ausmacht, jene Bewegung die wir auch mit Entwicklung beschreiben.  Entwicklung und Veränderung, neue Welten, neue Möglichkeiten, Altes verlassen, alte Muster ablegen. Darum geht’s. Im Kleinen wie im Großen. Entwicklung ist ein Wort des Geschehens, des aktiven Seins und nicht eine des Stillstands.


Gebe ich den Ausreden den Raum bewege ich mich auch hinein in den Stillstand. Denn Ausreden, reden aus. Wie es das Wort uns so schön mitteilt. Und je besser ich mich erkläre und Begründungen formuliere, umso tiefer bin ich im  Sumpf des Stillstands gefangen und grabe  mich hinein in die Unbeweglichkeit. Alles soll so bleiben wie es ist. Denn aus der Sicht meines Egos ist exakt das das Ziel. Bloß keine neuen Umstände, man weiß ja nicht, was mit ihnen kommen könnte, wohin das Leben sich verändern möchte und welche Überraschungen es dann noch für uns hat.


Was also nun tun? Den Obstkorb plündern, Laufschuhe anziehen?  

Oder ist dafür auch noch „später“ Zeit? Genüßlich beiss‘ ich jetzt erstmal in den Keks ……… 

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Text erschienen als Kolumne im aktuellen Engelmagazin 04/2015

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Daniela Hutter schreibt, bloggt und hält Seminare zum Thema bewusste Lebensführung, es ist ihre Passion alte Tradition mit zeitgemässer Spiritualität zu verbinden. Mit Menschen zu sein bereitet ihr Freude und deshalb bietet sie auch persönlicheCoachings an.


Als Autorin schreibt sie für verschiedene Zeitschriften. Aktuell arbeitet sie an ihrem nächsten Buch. Bereits erschienen sind die Bücher "Lass deine Träume wahr werden" (2013) und "Den Tag mit Engeln beginnen" (2008), sowie das Kartenset "Energien der neuen Zeit"(2013). Ihr neuestes Buch "Mach dein Leben hell" erscheint 2015.

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